Im letzten Beitrag haben wir gesehen, dass die Umgebung einen großen Einfluss auf unser Verhalten hat. Insofern macht es Sinn diese so vorteilhaft wie möglich zu gestalten. Daher ist das Motto dieses Beitrags: Optimiere Deine Umgebung. Ich möchte Dir ein paar Möglichkeiten aufzeigen, wie Du Deine Umgebung so verändern kannst, dass sie Dir dabei hilft positive Gewohnheiten zu etablieren. Zunächst einmal möchte ich Dich mit einem neuen Konzept vertraut machen. Es nennt sich “choice architecture”. Auf Deutsch könnte man es mit “geplante Auswahl” übersetzen.
Das Konzept
Die vielleicht beste Erklärung des Konzepts stammt von einer Gruppe Wissenschaftler an der Harvard Universität. Sie haben die Essgewohnheiten der Patienten und Besucher in der Cafeteria eines Krankenhauses in Massachusetts untersucht. Die Wissenschaftler gingen in die Cafeteria und analysierten was die Kunden typischerweise gegessen und getrunken haben. Danach stellten sie sich die Frage, wie sie die Umgebung verändern können um die Essgewohnheiten der Gäste positiv zu beeinflussen. Dieses Ziel wollten sie erreichen ohne direkt mit den Kunden in Kontakt zu treten. Das heisst, sie sprachen die Kunden nicht an. Weder versuchten sie die Kunden zu motivieren gesündere Lebensmittel zu kaufen, noch versuchten sie die Willensstärke der Kunden zu erhöhen um den ungesünderen Nahrungsmitteln zu widerstehen. Die Frage, die sie sich stellten war, ob es möglich ist das Verhalten der Menschen zu ändern ohne sie überzeugen zu müssen.
Die Ursprungssituation
Stell Dir vor wie Du in die Cafeteria eintrittst. In dem Raum gibt es mehrere Stationen, an denen Speisen und Getränke angeboten werden. In der Mitte des Raumes stehen zwei Kassen. Neben den Kassen steht jeweils ein Kühlschrank. In den Kühlschränken gibt es verschiedenste Angebote an Speisen und Limonade. An einer Wand, an der Seite des Raumes steht ein kleinerer Kühlschrank in dem Wasser angeboten wird. Das ist der einzige Ort in der Cafeteria an dem es Wasser gibt.
Das Experiment
Das erste was die Wissenschaftler taten war an mehreren Stellen in der Cafeteria Wasser anzubieten. Sie ließen die Limonade in der großen Kühlschränken. Allerdings stellten sie zusätzlich Wasserflaschen daneben. Weiterhin boten sind an weiteren Stellen ebenfalls Wasserflaschen an. Sie beobachteten das neue Konzept über 6 Monate. Dabei machten sie einige interessante Entdeckungen.
Das Resultat
Der Wasserkonsum stieg signifikant um 26% an. Limonade wurde 11% weniger gekauft. Wenn Du irgendeinen Kunden gefragt hättest, warum er ein Wasser oder eine Limonade genommen hat, dann hätte jeder von ihnen eine Erklärung parat gehabt. Sie könnten zum Beispiel gesagt haben: “Ich hatte gerade Lust ein Wasser zu trinken.”.
Tatsache ist allerdings, dass die Meisten keinen guten Grund für ihre Entscheidung hatten. Viele haben noch nicht mal lange darüber nachgedacht was sie trinken möchten. Der eigentliche Grund war ganz einfach, dass ihnen das Wasser überhaupt angeboten wurde.
Der Übertrag auf andere Bereiche
Das gleiche Phänomen lässt sich auf alle Entscheidungen unseres täglichen Lebens übertragen. Wir treffen unsere Entscheidungen im wesentlichen basierend auf den Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Weniger basierend auf dem was wir versuchen zu erreichen oder wofür wir uns bewusst entscheiden. Dieses Konzept nennt man “choice architecture” oder “geplante Auswahl”. In Abhängigkeit der Optionen, die wir in unserem Leben zulassen, treffen wir unterschiedliche Entscheidungen.
Vielerorts findet dieses Wissen bereits Anwendung. Hauptsächlich im Marketing. Im Supermarkt werden beispielsweise eher die Produkte gekauft, die sich am Anfang und am Ende der Reihen befinden. Weniger die Produkte, die in der Mitte der Reihe plaziert sind. Insofern werden hochwertigere Produkte an den Enden angeboten.
Produkte, die sich auf Augenhöhe befinden, werden eher gekauft als diejenigen, die unten im Regal liegen. Daher werden die Produkte, die mehr Profit bringen auf Augenhöhe plaziert.
Optimiere Deine Umgebung
In unserem Fall können wir dieses Wissen auf eine anderen Art und Weise zu unserem Vorteil nutzen. Wir können zum Beispiel unsere Wohnung oder unseren Arbeitsplatz so gestalten, dass wir uns ausschließlich Zugriff auf bessere Optionen gewähren. Eine einfach zu realisierende Veränderung wäre zum Beispiel erst gar keine ungesunden Nahrungsmittel einzukaufen und in die Wohnung zu bringen. Ernährung ist allerdings nur ein Beispiel. Das Konzept der “choice architecture” lässt sich auch auf andere Bereiche des Lebens übertragen.
Fast jedes Wohnzimmer ist so angeordnet, dass alle Sofas und Sessel in Richtung des Fernsehers gedreht sind. Dadurch wird der Raum derart gestaltet, dass Fernseh schauen gefördert wird. Daher müssen wir uns nicht wundern wenn wir gedankenlos, stundenlang eine Sendung nach der anderen schauen. Beim Schreiben dieser Sätze musste ich lachen, da ich gerade auf der Couch im Wohnzimmer sitze, die exakt mittig vor dem Fernseher platziert ist. Bei uns ist der Fernseher trotzdem die überwiegende Zeit ausgeschaltet. Vor allem nachdem ich vor einiger Zeit meine Spielkonsolen verkauft habe. Übrigens genau mit der Intention mich der Option des Spielens mit der Konsole zu berauben. Ich kenne Leute, die den WLAN Router abends abschalten um nicht noch bis spät in die Nacht im Internet zu surfen. Ich benutze ein Programm namens “Freedom” dafür. Diese erlaubt mir außerdem gewisse Webseiten (zum Beispiel Online-Shops) tagsüber zu sperren. Das sind allerdings schon drastische Maßnahmen.
Fange erst mal klein an
Für den Anfang reicht es vielelicht schon aus die Fernbedienung für den Fernseher nicht auf dem Wohnzimmertisch liegen zu lassen, sondern sie in eine Schublade oder in einen Korb zu legen. Irgendwo hin, wo Du sie nicht gleich sehen kannst.
Das Ziel ist die Umgebung so zu gestalten, dass es einfacher ist den guten Verhaltensweisen nachzugehen. Gleichzeitig sollte die Umgebung auch so gestaltet werden, dass es schwieriger wird schlechten Gewohnheiten zu folgen.
Die Umsetzung für Faule
Wir hatten in der Vergangenheit schon einige Beiträge über BJ Fogg’s Arbeit veröffentlicht. Fogg ist Professor an der Stanford Universität. Seine Umsetzung dieses Konzepts nennt er “Gestaltung für Faulheit”. Er gibt folgendes Beispiel. Fogg liebt Popcorn. Allerdings wollte er nicht mehr so viel davon essen. Also nahm er die Popcorntüte aus seiner Vorratskammer, ging in die Garage und stellte sie ganz oben ins Regal. Falls er wirklich Lust auf Popcorn verspürt, kann er einfach in die Garage gehen und sich welche holen. Jedoch wird er in den meisten Fällen zu faul sein um dies zu tun.
Das ist genau der Punkt. Gerade in den Momenten in denen wir erschöpft sind, treffen wir tendenziell schlechte Entscheidungen. Aber genau in diesen Momenten sind wir auch zu faul nach draussen in die Garage zu gehen um Popcorn zu holen. Daher ist es besser eine gesündere Option vorzubereiten, die Du auch in Anspruch nehmen kannst wenn Du wenig Energie hast.
Plane Deine Entscheidungen
Eine weitere Möglichkeit ist Deine Zukünftigen Entscheidungen zu planen. Angenommen Dein Ziel ist es weniger zu essen. Eine Möglichkeit ist einfach kleinere Teller zu kaufen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die durchschnittliche größe der Teller seit den 70er Jahren um ca. 22% gewachsen ist. Im Durchschnitt sind die Teller zu 95% gefüllt. Wir essen ca 90-95% von dem was sich auf dem Teller befindet. Im Umkehrschluss heisst das, dass wenn wir kleinere Teller verwenden, dann füllen wir uns weniger Essen auf. Dadurch essen wir dementsprechend weniger. Das ist ein einfaches Beispiel wie Du Deine Essgewohnheiten optimieren kannst.
Nutze Automatismen
Es gibt eine Vielzahl von weiteren Anwendungsmöglichkeiten. Angenommen Du kannst Abends schlecht einschlafen. Ein Grund dafür könnte sein, dass Du zu lange Serien im Fernsehen geschaut hast. Hier könnte eine Einstellung im Fernseher helfen, die den Fernseher um eine bestimmte Uhrzeit abschaltet. Das kannst Du als Signal nehmen um früher ins Bett zu gehen.
Es gibt auch Möglichkeiten das Licht in der Wohnung zeitgesteuert abzuschalten. Der Punkt hier ist, Dir die Entscheidung weitgehend abzunehmen indem Du Automatismen in Deine Umgebung integrierst. Dadurch vermeidest Du, dass Du für jede Änderung Deine wertvolle Willensstärke einsetzen musst.
Der Übertrag in die Praxis
Mit dem Arbeitsblatt unten kannst Du das Gelernte direkt in die Praxis umsetzen. Erinnere Dich an die Gewohnheit, die Du in Deinem Leben installieren möchtest. Schreibe dann ein paar Möglichkeiten auf, wie Du Deine Umgebung so umgestalten kannst, dass es Dir einfacher fällt Dein Verhalten auszuführen. Versuche die Anzahl der Schritte zu einem positiven Verhalten zu verringern. Gleichzeitig erhöhe die Anzahl der Schritte, die zu einem unerwünschten Verhalten führen oder Dich von dem positiven Verhalten abbringen.
Lade Dir das Arbeitsblatt „Umgebungsgestaltung“ herunter
Keine Registrierung notwendig. Kostenfrei.
Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen