Häufig denken wir, dass wir nur genug Willensstärke mobilisieren müssen um dauerhafte Veränderungen in unserem Verhalten zu erreichen. Das ist allerdings ein Trugschluss. Die Umgebung macht den Unterschied.
Das Problem
1971 flogen zwei Kongressabgeordnete aus den USA nach Vietnam um die Soldaten zu besuchen, die im Vietnam-Krieg kämpften. Während ihres Aufenthalts machten sie eine besorgniserregende Entdeckung. Sie schätzten, dass 10-15% der Soldaten Heroinabhängig waren. Spätere Untersuchungen ergaben, dass es sogar 19% waren. 34% der Soldaten haben während ihrer Dienstzeit in VIetnam ab und zu Heroin genommen. 38% konsumierten gelegentlich Opium.
Die Suche nach einer Lösung
Als die Kongressabgeordneten wieder zurück in die USA kamen, war ihnen bewusst geworden, dass es ein großes Problem in Vietnam gab,. Dieses galt es zu lösen. Dementsprechend stellten sie eine Gruppe aus Forschern zusammen, die genau herausfinden sollten was sich dort abspielt. Im Anschluss daran sollten sie einen Plan erstellen, mit dem sich dieses Problem lösen lässt. Die Wissenschaftlerin, die das Projekt leitete, war Lee Robins. Ihre Untersuchungsergebnisse wurden später äußerst populär, da sie das bisherige Wissen über Drogenabhängigkeit und ihre Auslöser vollkommen auf den Kopf gestellt hat.
Sie fand heraus, dass lediglich 5% der Soldaten wieder Heroinabhängig wurden nachdem sie nach Hause zurückgekehrt sind. Das war viel weniger als die normale Rückfallquote. Diese liegt bei in den meisten Fällen bei bis zu 95%. Wenn beispielsweise ein Durchschnittsbürger Heroinabhängig war, und aus der Entzugsklinik zurückgekehrt ist, dann wurde er danach mit einer Wahrscheinlichkeit von über 90% innerhalb eines Jahres wieder rückfällig.
Die Soldaten im Vietnamkrieg waren zweifelsohne unglaublichen Strapazen ausgesetzt. Wenn sie in Vietnam Heroinabhängig waren und nach Hause zurückgekehrt sind, wurden lediglich 5% innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren wieder rückfällig.
Die Hintergründe
Warum ist das so? Robins fand heraus, dass die Umgebung eine maßgebliche Rolle beim Verhalten der Soldaten gespielt hat. Als sie in Vietnam waren, kamen sie leicht an Heroin heran, es hatte eine hohe Reinheit und war sehr günstig. Durch die hohe Reinheit reichte es aus das Heroin zu rauchen. Es war nicht notwendig es sich zu spritzen. Dadurch gab es schonmal eine Hürde weniger. Weiterhin waren sie von anderen Heroinabhängigen Kameraden umgeben. Daher war es sozial akzeptiert Heroin zu nehmen. Außerdem waren sie tagtäglich auf den Kriegsschauplätzen enormen Stress ausgesetzt. Heroin war ein Mittel um etwas gegen diesen Stress zu tun.
Bei den Heroinabhängigen Durchschnittsbürgern ist es allerdings so, dass sie nach einer 6-Wöchigen Kur wieder exakt in das selbe Lebensumfeld zurück gegangen sind, aus dem sie kamen. Sie waren wieder in der selben Wohnung, mit den selben Menschen, den selben Versuchungen und hatten mit den selben Problemen zu kämpfen.
Die Schlussfolgerung
Die Wissenschaftler schlussfolgerten daraus, dass es notwendig ist die Umgebung fundamental zu ändern um maßgebliche Veränderungen im Verhalten zu erreichen. Die Quintessenz aus ihren Forschungen ist, dass ob wir ein bestimmtes Verhalten ausüben oder nicht, ist vorwiegend von der Umgebung abhängig in der wir uns befinden. Neben den Einflüssen des Lebensumfeldes gab es allerdings auch noch andere Aspekte, die dazu beigetragen haben, dass es unter den Soldaten weniger Rückfälle gab. Sie gaben als weitere Gründe an, dass sie Angst hatten verhaftet zu werden oder körperliche Schäden davon zu tragen.
Es kommt auf den Kontext an
Menschliche Verhaltensweisen hängen stark von Kontext und den Situationen ab in denen sie geschehen. Häufig denken wir, dass wir Abhängigkeiten nur durch Seminare oder pure Willensstärke ablegen können. In der Tat spielt aber unser Umfeld eine entscheidende Rolle. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ein Nichtraucher-Seminar und mentale Unterstützung bei einem Mitglied meiner Familie keinen nachhaltigen Erfolg gebracht hat. Einer der Hauptgründe für den Rückfall war sehr wahrscheinlich die Tatsache, dass sich im Freundeskreis viele Raucher befanden. Insofern ist die soziale Norm zu rauchen.
Die Umgebung macht den Unterschied
Mit diesem Wissen haben wir nun eine Menge neuer Stellschrauben an denen wir drehen können um unsere Verhaltensweisen und Gewohnheiten zu verändern. Wie beeinflusst die Umgebung, in der Du Dich tagtäglich befindest, Dein Verhalten? Mit welchen Personen umgibst Du Dich und wie ist deren Verhalten? Inwieweit beeinflusst Dich das Verhalten Deines sozialen Umfelds?
Wenn wir unser Verhalten radikal ändern wollen, dann ist es notwendig ebenfalls unsere Lebensumstände radikal zu verändern. In den folgenden Beiträgen werde ich auf ein praktische Beispiele eingehen, um Dir dabei zu helfen genau das zu tun.
Die Veränderung des Umfelds alleine ist allerdings kein Allheilmittel. Wir sollten es daher eher so sehen, dass es uns dabei hilft eine weitere Zahl in dem “Zahlenschloss des Lebens” in die richtige Position zu drehen. Solange auch nur eine Zahl an der falschen Stelle ist, bleibt uns der Fortschritt verwehrt. Sobald aber alle Zahlen in der richtigen Position sind, springt das Schloss auf. Dann bekommen wir die Möglichkeit einen großen Sprung nach oben auf das nächste Plateau zu machen.
Leseliste
“Change Anything” von den Autoren Kerry Patterson, Joseph Grenny, David Maxfield
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